Reflexivität im Studium (nach Bettina Dausien)

Bettina Dausien (2008): Reflexivität, Vertrauen, Professionalität. Was Studierende in einer gemeinsamen Praxis qualitativer Forschung lernen können. (Diskussionsbeitrag zur FQS-Debatte „Lehren und Lernen der Methoden qualitativer Sozialforschung“) In: Forum Qualitative Sozialforschung, Volume 8, No. 1 – Januar 2007

URL: http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/view/220/485

Auszug:

„Eine erste grundlegende Fähigkeit, die sich Studierende in der Auseinandersetzung mit qualitativer Forschung aneignen können, ist Reflexivität. Um diesen Aspekt zu verdeutlichen, ist es zunächst sinnvoll, auf eine Differenzierung Pierre BOURDIEUs zurückzugreifen. Er unterscheidet zwischen „narzißtischer Reflexivität“, die um ihrer selbst willen, gewissermaßen als Selbstzweck um die Person der Wissenschaftlerin/des Wissenschaftlers kreist, und „wissenschaftlicher Reflexivität“, die „auf die Verfeinerung und Verstärkung der Erkenntnismittel gerichtet“ ist (BOURDIEU 1993, S.366). Im hier diskutierten Kontext geht es um wissenschaftliche Reflexivität. Sie kann mit WACQUANT (1996, S.63) anhand von drei Merkmalen erläutert werden:

„Erstens: Ihr Gegenstand ist primär nicht der individuelle Wissenschaftler, sondern das in die wissenschaftlichen Werkzeuge und Operationen eingegangene soziale und intellektuelle Unbewußte; zweitens: Sie ist ein kollektives Unternehmen und nichts, was dem Wissenschaftler individuell aufzubürden wäre; und drittens: Sie will die wissenschaftstheoretische Absicherung der Soziologie nicht zunichte machen, sondern ausbauen“ (WACQUANT 1996, S.63). [3]

In der Arbeit mit qualitativen Forschungsmethoden ist die Reflexion der verwendeten wissenschaftlichen „Werkzeuge und Operationen“ sowie der darin eingelagerten Vorannahmen und Erwartungen ein zentrales Qualitätskriterium. Die Reflexion der eigenen Methoden und ihrer Anwendung wird zur „wissenschaftstheoretischen Absicherung“ qualitativer Forschung erforderlich, weil Kriterien der Objektivität und Güte empirischer Forschung, die sich am hypothetico-deduktiven Modell quantifizierender Forschung orientieren, nicht greifen bzw. unangemessen sind. Reflexion in diesem Sinn wird nicht erst als nachträgliches Kriterium an die Forschung herangetragen (etwa zur Beurteilung der Güte von Ergebnissen), sondern ist kontinuierlich und methodisch angeleitet im Forschungsprozess selbst verankert. Die methodologische Begründung dafür findet sich in den Prinzipien des interpretativen Paradigmas: Wenn soziale Wirklichkeit immer schon interpretierte Wirklichkeit ist und die Deutungen in einer interaktiven Praxis konstruiert werden, so gilt dies auch für die Wissenschaft selbst.

(Hervorhebungen durch Fettdruck, u.f.)

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